Ausnahmeregelung für Kunst- und Kulturschaffende
Muster-Verordnung zu Quarantäneregelung für Ein- und Rückreisende FREO e.V. fordert Ausnahmeregelung für Kunst- und Kulturschaffende #ExistenzBrauchtEngagement
FREO e.V. fordert die Aufnahme einer Ausnahmeregelung für professionelle Kunst- und Kulturschaffende in die Muster-Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Corona-Virus.
Um einem Flickenteppich aus Verordnungen und unterschiedlichen Ausnahmeregelungen entgegenzuwirken, fordert FREO e.V. die Bundesländer auf die Muster-VO1 einheitlich umzusetzen. Gleichzeitig ist die Ergänzung der Muster-VO um eine Ausnahmeregelung für Kunst- und Kulturschaffende dringend notwendig.
Analog zu den Ausnahmeregelungen für beruflich Reisende im Profi-Sport fordert FREO e.V. die Ergänzung der Muster-VO um eine spezifische Ausnahmeregelung für beruflich Reisende im Kulturbereich, mit folgendem Wortlaut:
(3) Von § 1 Absatz 1 Satz 1 nicht erfasst sind, professionelle Kunst- und Kulturschaffende, die sich auf Einladung von Veranstaltern und anderen Organisationen zur Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen und anderen Anlässen in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder zur Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen und anderen Anlässen in die Bundesrepublik einreisen. Dies umfasst auch Kunst- und Kulturschaffende, die ihren Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik haben. Voraussetzung ist die Gewährleistung eines Hygiene- und Abstandskonzepts durch die einladende Organisation und ein negativer Corona-Test, nicht älter als 48 Stunden.
(einzufügen unter Muster-VO zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus von Anfang April 2020, zuletzt geändert im Oktober 2020, bei §2 Absatz 3)
Begründung
Laut Muster-VO von Anfang April 2020, zuletzt geändert im Oktober 2020, sind Rück- und Einreisende aus Risikogebieten dazu verpflichtet, sich für 10 Tage selbst zu isolieren. Eine Auflösung der Quarantäne ist frühestens nach 5 Tagen mit einem negativen Corona-Test möglich. Gleichzeitig definiert die Muster-VO Ausnahmeregelungen, so zum Beispiel für „Reisende, die sich für bis zu fünf Tage zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst, wegen ihrer Ausbildung oder ihres Studiums in einem Risikogebiet nach § 1 Absatz 4 aufgehalten haben oder in das Bundesgebiet einreisen; die zwingende Notwendigkeit ist durch den Arbeitgeber, Auftraggeber oder die Bildungseinrichtung zu bescheinigen.” (Nr. 4)
Eine eigene Ausnahmeregelung gibt es für reisende Personen im Sportbereich: „Personen, die zur Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nachbereitung internationaler Sportveranstaltungen durch das jeweilige Organisationskomitee akkreditiert werden oder von einem Bundessportfachverband zur Teilnahme an Trainings- und Lehrgangsmaßnahmen eingeladen sind,”. (Nr. 5) Eine Ausnahmeregelung für den Kulturbereich, die der spezifischen Arbeitsrealität Rechnung trägt, fehlt.
Existenz hängt am Zustandekommen des Engagements
Durch die Covid-19-Pandemie wurden die freien Ensembles und Orchester in eine existenzielle Krise geschleudert. Seit wenigen Monaten ist es ihnen nun wieder möglich aufzutreten, ihre Kunst nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt zu zeigen; geplante Kooperationen mit Künstler*innen aus dem Ausland fortzusetzen. Jedes Engagement – jedes Konzert, jede Aufnahme, jedes Vermittlungsprojekt – ist elementar und wichtig. Nicht nur für das künstlerische Arbeiten selbst, sondern für das wirtschaftliche Überleben der Organisationen und jedes einzelnen Kulturschaffenden. Kurz: Die Existenz hängt am Zustandekommen des Engagements.
So geht es nicht nur den freien Ensembles und Orchestern. Die gesamte Kulturbranche – insbesondere die freie Szene – ist darauf angewiesen, wieder spielen, wieder veranstalten zu können – sowohl in Deutschland als auch im internationalen Raum. Dafür brauchen wir angemessene Rahmenbedingungen: einheitliche und realisierbare Regelungen.
Deshalb fordern wir die Aufnahme einer Ausnahmeregelung für professionelle Kunst- und Kulturschaffende, die zur Ausübung ihres Berufs, reisen.
Vergleichbare Beispiele
Die Schweiz und Litauen haben in ihren Quarantäneregelungen entsprechende Ausnahmeregelungen bereits inkludiert.
SCHWEIZ: In den Quarantäne-Regelungen für Einreisende werden Kulturschaffende nach einem kulturellen Anlass, Sportler*innen nach einem Wettkampf und Teilnehmende an Fachkongressen von der Quarantänepflicht ausgenommen. Voraussetzung für die Ausnahmeregelung für diese Gruppe ist, dass für die betreffende Veranstaltung im Ausland ein Schutzkonzept vorliegt und eingehalten wird und selbstverständlich ein negativer Corona-Test vorliegt.
LITAUEN: “The entry of foreigners into the Republic of Lithuania remains prohibited, except for: artists coming to the Republic of Lithuania at the permission of the Minister for Culture of the Republic of Lithuania for the participation in professional artistic events, and their service personnel.
Begrünungen und Erläuterungen im Detail
1) Kunst- und Kulturschaffende reisen aus dienstlichen Gründen – nicht zu touristischen Zwecken!
Reisen von professionellen Künstler*innen und Kulturschaffenden zur Ausübung ihres Berufs sind grundsätzlich zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst. Kulturschaffende sind auf jedes einzelne Engagement angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Kulturorganisationen wie die freien Ensembles und Orchester wiederum haben einen Betrieb zu finanzieren und als Arbeit- und Auftraggeber eine Verantwortung gegenüber ihren Projektpartnern und Mitarbeiter*innen. Mit einer Verschiebung oder Absage sind ernsthafte berufliche und wirtschaftliche Konsequenzen für Einzelpersonen und Organisationen verbunden. Insofern sind Reisen von professionellen Künstler*innen und Kulturschaffenden zur Ausübung ihres Berufs grundsätzlich zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst. Diesem Umstand kann mit einer Ausnahmeregelung Rechnung getragen werden.
2) Bürokratiemonster verhindern
Die Ausnahmeregelung für Personen, die zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst Reisen (Nr. 4) ist für Kunst- und Kulturschaffende nicht passend. Die in Nr. 4 formulierte Ausnahmeregelung für Personen ist mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Denn damit die Ausnahmeregelung greift, muss auf Grundlage eines Musterformulars die zwingende Notwendigkeit jeder Reise schriftlich bestätigt werden. Andere Berufsgruppen bleiben davon verschont: Im Bereich des Spitzensports und hauptberuflicher Sportler*innen zum Beispiel ist eine Akkreditierung oder Einladung von einem Bundessportfachverband ausreichend. Mit einer Ausnahmeregelung für Kunst- und Kulturschaffende kann analog zur Ausnahmeregelung für den Sportbereich der spezifischen Arbeitsrealität in der Kulturbranche Rechnung getragen werden.
3) Tourneeformate mitbedenken! Keine Begrenzung des Aufenthalts.
Die Ausnahmeregelung für Personen, die zwingend notwendig und unaufschiebbar Reisen, ist auf einen Aufenthalt von max. 5 Tagen im Risikogebiet begrenzt. Dies läuft der Arbeitsrealität in der Kulturbranche entgegen. Deshalb brauchen wir eine Ausnahmeregelung für Kunst- und Kulturschaffende, die eine solche Begrenzung nicht vorsieht und Tourneebetrieb ermöglicht.
4) Vertrauen in Hygiene- und Abstandskonzepte = Vertrauen in die Kultur
Kulturveranstaltungen sind nicht die Infektionsherde der Pandemie: Veranstaltungen sind auch in Risikogebieten auf Grundlage und unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandskonzepten möglich. Ausgeklügelte, aufwendige und nachvollziehbare Hygiene- und Abstandskonzepte wurden erarbeitet, um alle Teilnehmenden – das Publikum genauso wie die ausführenden Künstler*innen – zu schützen. Zahlreiche erfolgreiche Veranstaltungen, wunderbare, bewegende und verbindende Kulturerlebnisse zeigen, dass es trotz und mit dem Virus möglich ist. Eine Ausnahmeregelung trägt diesen Bemühungen Rechnung und spiegelt das Vertrauen in die Kultur wider.
5) Kunst und Kultur verbindet über Grenzen hinweg
Kunst- und Kulturschaffende sind internationale Kulturbotschafter. Sie treten nicht nur überall in Deutschland auf, sie reisen durch Europa, durch die Welt und verbinden mit ihrer Kunst und Musik Künstler*innen und Menschen über Grenzen hinweg. Die Kulturbranche ist geprägt und verbunden durch langjährige internationale Partnerschaften zwischen Kunst- und Kulturschaffenden und Organisationen. Gerade jetzt, wo Deutschland die EU Ratspräsidentschaft innehat und im Rahmen dieser Präsidentschaft den besonderen Stellenwert der Kultur für die Idee eines gemeinsamen Europas, einer solidarischen und offenen Gesellschaft betont, liegt es in der Verantwortung Deutschlands den Kulturtransfer auch in Pandemiezeiten zu schützen und aufrecht zu erhalten. Dieser Verantwortung kommt Deutschland mit einer Ausnahmeregelung nach.
Stand: 27. Oktober 2020